Was steht mir nach 20 Jahren Ehe in der Schweiz an Unterhalt zu?
Früher spielte die Dauer der Ehe bezüglich der Frage nach nachehelichem Unterhalt eine zentrale Rolle. So galten Ehen nach rund 10 Jahren – oder eine Ehe mit Kindern - grundsätzlich als lebensprägend, was wiederum die Voraussetzung für Unterhaltsleistungen in der maximalen Höhe des während der Ehe gelebten Lebensstandard war.
Heutzutage gilt dies nicht mehr ganz so, da sich die Definition einer lebensprägenden Ehe in den letzten Jahren verändert hat. Jetzt hängt die Bejahung einer lebensprägenden Ehe vom Gesamtbild, bestehend aus einer Mehrzahl von Faktoren ab. Der häufigste Fall einer lebensprägenden Ehe ist jener, bei welchem ein Ehegatte aufgrund eines gemeinsamen Lebensplans seine wirtschaftliche Selbständigkeit aufgegeben hat (bspw. Durch Aufgabe seiner Erwerbstätigkeit) damit er sich um die Haushaltsbesorgung und die Kinderbetreuung kümmern konnte und es ihm jetzt, nach einer langjährigen Ehe nicht mehr möglich ist, wieder an der damaligen beruflichen Stellung anzuknüpfen (BGE 5A_568/2021). Weiter wurde der Grundsatz aufgegeben, dass bei Bejahung einer lebensprägenden Ehe faktisch immer Unterhalt bezahlt werden muss. Heutzutage muss selbst bei einer lebensprägenden Ehe nur dann Unterhalt bezahlt werden, wenn der unterhaltsbedürftige Ehepartner, unter Ausschöpfung seiner vollen Erwerbskapazität, nicht in der Lage ist für seinen Unterhalt aufzukommen.
Folglich kann auch die Frage: «Was steht mir nach 20 Jahren Ehe zu?», nicht mehr kollektiv beantwortet werden. Als erstes müssen Sie sich nun fragen, ob Ihre Ehe als lebensprägende Ehe definiert wird. Das ist bspw. zu bejahen, wenn sie Ihre Arbeit zu Beginn aufgegeben haben um sich um den Haushalt und die Kinder zu kümmern und nun nicht mehr ohne weiteres an Ihrer damaligen Karriere anknüpfen können. Als nächstes müssen Sie sich fragen, ob es für Sie dennoch möglich ist durch eine Erwerbstätigkeit für Ihren eigenen Unterhalt aufzukommen. Wenn dies nicht der Fall ist, haben Sie grundsätzlich – je nach finanzieller Situation des anderen Ehegattens – Anspruch auf einen nachehelichen Unterhalt in der maximalen Höhe des bisher gelebten Lebensstandards.
Wenn Sie die erste Frage nach einer lebensprägenden Ehe mit nein beantworten sieht es anders aus. In Fällen einer nicht lebensprägenden Ehe haben Sie auch keinen Anspruch, den zuvor gelebten Lebensstandard weiterzuleben. Hier wird Ihnen nur dann ein nachehelicher Unterhalt zugesprochen, wenn sie einen sogenannten «Heiratsschaden» haben. Das bedeutet, wenn Sie durch die Schliessung der Ehe schlechter gestellt wurden. Dann wird Ihnen maximal ein Unterhalt in der Höhe gegeben, dass sie dadurch so gestellt werden, als wäre die Ehe nie geschlossen worden. In vielen Fällen fällt der nacheheliche Unterhalt somit komplett weg.
Kurzum: Es spielt somit weniger eine Rolle wie lange Sie verheiratet waren, sondern eher wie die Rollenverteilung während der Ehe war. Wenn Sie sich dem nicht unterstellen wollen, wäre die Erstellung eines Ehevertrages – schon während der Ehe – eine Möglichkeit. In diesem können Sie und Ihr Partner in friedlichen Zeiten gemeinsam eine für beide Parteien passende Unterhaltslösung für den Fall einer Scheidung vereinbaren. Solche Vereinbarungen werden durch das Gericht grundsätzlich geschützt, solange der Inhalt der Vereinbarung nicht offensichtlich unangemessen ist oder sich die finanziellen Verhältnisse drastisch verändert haben.