Was ist neu beim revidierten Erbrecht (2023)?

Das revidierte Erbrecht ist seit einem halben Jahr in Kraft und bietet nun die Möglichkeit, von den erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten bei letztwilligen Verfügungen Gebrauch zu machen. Es ist ratsam, auch bestehende Testamente und Erbverträge auf die wesentlichen Änderungen hin zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Das neue Erbrecht gilt für alle Todesfälle ab dem 1. Januar 2023.

Das neue Erbrecht beinhaltet folgende bedeutende Änderungen, die seit dem 1. Januar 2023 gültig sind:

Reduzierung der Pflichtteile für Nachkommen und Aufhebung der Pflichtteile für Eltern:

Die Pflichtteile der Nachkommen wurden von 3/4 auf die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs verringert (Art. 471 ZGB; vgl. Art. 457 Abs. 2 ZGB). Die Pflichtteile der Eltern wurden gänzlich abgeschafft (zuvor betrugen sie die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs). Der Pflichtteil für Ehegatten bleibt unverändert bei der Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs (Art. 471 ZGB; vgl. Art. 462 ZGB).

Wer sowohl einen Ehegatten als auch Nachkommen hinterlässt, kann gemäß dem neuen Recht über die Hälfte des Nachlasses frei verfügen (je ein Viertel des Nachlasses für den Pflichtteil des Ehegatten und der Nachkommen). Nach dem alten Recht war es nur möglich, über 3/8 des Nachlasses frei zu verfügen (ein Viertel für den Pflichtteil des Ehegatten und 3/8 für den Pflichtteil der Nachkommen).

Es ist jedoch zu beachten, dass das gesetzliche Erbrecht der Eltern nach wie vor besteht (Art. 458 ZGB). Wenn beispielsweise eine Erblasserin einen Konkubinatspartner und keine Nachkommen hinterlässt, fällt der Nachlass ohne abweichende testamentarische oder erbvertragliche Regelungen vollständig an die Eltern. Durch die Abschaffung der Pflichtteile der Eltern können jedoch unverheiratete und kinderlose Personen frei über ihren Nachlass verfügen.

Verlust des Pflichtteilsanspruchs im Scheidungsverfahren und im Verfahren zur Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft:

Gemäß dem neuen Recht erlischt der Pflichtteilsschutz für Ehegatten bereits mit der Einleitung des Scheidungsverfahrens. Verstirbt ein Ehegatte während des Scheidungsverfahrens, gelten die Pflichtteile so, als wäre er oder sie nicht verheiratet (Art. 472 ZGB). Nach dem alten Recht erlosch der Pflichtteil eines Ehegatten erst mit Rechtskraft des Scheidungsurteils.

Es ist zu beachten, dass auch nach dem neuen Recht der gesetzliche Erbanspruch des Ehegatten bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils bestehen bleibt (Art. 462 ZGB; vgl. Art. 120 Abs. 3 Ziff. 2 ZGB). Wenn dieser gesetzliche Erbanspruch ausgeschlossen werden soll, ist eine letztwillige Verfügung erforderlich.

Erweiterung des verfügbaren Teils durch Einräumung einer Nutznießung zugunsten des überlebenden Ehegatten:

Ein verheirateter Erblasser hat nun die Möglichkeit, den überlebenden Ehegatten stärker zu begünstigen, indem er ihm (höchstens) die Hälfte des Nachlasses als Eigentum zuweist und dem Ehegatten die andere Hälfte als Nutznießung überlässt. Diese Regelung gilt jedoch nur zulasten gemeinsamer Nachkommen, deren Erbteil dann vollständig mit der Nutznießung belastet wird (Art. 473 ZGB). Nach dem alten Recht konnte der Erblasser dem überlebenden Ehegatten lediglich ein Viertel des Nachlasses als Eigentum zuweisen und ihn zu drei Vierteln mit einer Nutznießung zulasten der gemeinsamen Nachkommen begünstigen.

Es ist zu beachten, dass der überlebende Ehegatte seine Erbenstellung und damit auch den Pflichtteilsanspruch verliert, sofern er nicht auch für den verfügbaren Teil eingesetzt wird - in der Regel erfolgt daher eine Erbeinsetzung für den verfügbaren Teil (Art. 473 Abs. 2 ZGB). Der überlebende Ehegatte, dem nur ein Nutznießungsvermächtnis zusteht, kann dieses ablehnen und den Pflichtteil durch Klage auf Herabsetzung geltend machen.

Einführung eines Schenkungsverbots als Grundsatz bei Erbverträgen:

Im neuen Recht gilt der Grundsatz, dass bei Abschluss eines Erbvertrags nicht nur spätere Verfügungen von Todes wegen, sondern auch sämtliche Schenkungen nach dem Tod der Erblasserin anfechtbar sind, sofern sie nicht mit den erbvertraglichen Verpflichtungen vereinbar sind und nicht ausdrücklich im Erbvertrag vorbehalten wurden (Art. 494 Abs. 3 ZGB). Übliche Gelegenheitsgeschenke sind von dieser Regelung ausgenommen.

Unter dem alten Recht konnten Schenkungen und Verfügungen von Todes wegen nur angefochten werden, wenn ein Schenkungsverbot im Erbvertrag festgelegt war oder eine nachgewiesene Schädigungsabsicht des Erblassers vorlag (wobei der Nachweis schwierig war und in der Lehre kritisiert wurde).

Daher ist es wichtig, Erbverträge sorgfältig zu formulieren: Für zukünftige Schenkungen und Verfügungen von Todes wegen sollten im Erbvertrag explizite Vorbehalte festgelegt werden.

Klärung der Herabsetzungsreihenfolge:

Das neue Recht regelt nun eindeutig die Frage, an welcher Stelle der Intestaterwerb herabgesetzt werden kann. Unter Intestaterwerb versteht man die gesetzliche Erbfolge, die zum Tragen kommt, wenn der Erblasser keine letztwillige Verfügung getroffen hat. Das neue Recht erwähnt den Intestaterwerb explizit und sieht folgende Herabsetzungsreihenfolge vor (Art. 532 ZGB): (1) Erwerbungen gemäß der gesetzlichen Erbfolge bzw. Intestaterwerb; (2) Zuwendungen von Todes wegen; (3) Schenkungen unter Lebenden.

Das neue Recht stellt außerdem klar, dass Zuwendungen aus einem Ehevertrag als Schenkungen unter Lebenden betrachtet werden und somit herabgesetzt werden können.

Klarstellung der Ansprüche von Begünstigten aus der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a):

Das neue Recht stellt klar, dass die Guthaben von Begünstigten aus der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) nicht zum Nachlass gehören, sondern dass die Begünstigten nach dem Tod des Erblassers einen eigenen Anspruch gegenüber dem Versicherer haben. Die Durchsetzung dieser Ansprüche richtet sich nicht nach dem Erbrecht, sondern nach dem Vorsorgerecht (Art. 82 Abs. 4 BVG). Die Guthaben werden jedoch bei der Berechnung des Pflichtteils als Teil des Nachlasses berücksichtigt und können entsprechend herabgesetzt werden (Art. 476, Art. 529 ZGB).

Klarstellung zur Berechnung der Pflichtteile bei überhälftiger Vorschlagszuweisung:

Das neue Recht stellt klar, dass die ehevertragliche überhälftige Vorschlagszuweisung an den überlebenden Ehegatten nicht bei der Berechnung der Pflichtteile des Ehegatten und der gemeinsamen Kinder berücksichtigt wird (Art. 216 Abs. 2 ZGB). Dies bedeutet, dass die Pflichtteile allein auf Grundlage des reinen Nachlasses berechnet werden, wie er nach Durchführung der gesetzlichen güterrechtlichen Auseinandersetzung nach Art. 215 ZGB vorliegt.

Bei nicht gemeinsamen Kindern wird die überhälftige Vorschlagszuweisung wie bisher bei der Berechnung der Pflichtteile berücksichtigt (d.h., die Pflichtteile werden auf Grundlage des reinen Nachlasses berechnet, wie er nach der gesetzlichen güterrechtlichen Auseinandersetzung nach Art. 215 ZGB vorliegen würde).

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