Erfolgreiches Navigieren durch herausfordernde Zeiten: Die Rolle des Verwaltungsrats in Konzerngesellschaften
In einer Zeit geprägt von Unsicherheiten wie geopolitischen Spannungen, steigenden Zinsen, Inflation und Lieferkettenproblemen stehen Unternehmen vor zahlreichen Herausforderungen. In diesem Beitrag liegt der Fokus auf den Pflichten des Verwaltungsrats in Konzerngesellschaften und der Bedeutung einer effektiven Steuerung von Konzerninteressen.
Die komplexe Aufgabe des Verwaltungsrats einer Konzerngesellschaft
Viele Unternehmen in der Schweiz sind Teil eines größeren Konzerns oder einer Unternehmensgruppe. Als Tochtergesellschaften sind sie in einen umfangreicheren, oft internationalen Rahmen eingebettet. In solchen Situationen sind die Konzerngesellschaften häufig von anderen Unternehmen innerhalb des Konzerns abhängig und könnten ohne die Unterstützung von Mutter- oder Schwesterunternehmen kaum bestehen.
Anders als in einigen ausländischen Rechtsordnungen existiert in der Schweiz kein spezielles Konzernrecht. Nach schweizerischem Recht gilt jede Gesellschaft als eigenständige Einheit. Daher hat der Verwaltungsrat einer schweizerischen Konzerngesellschaft grundsätzlich die Pflicht, im besten Interesse dieser Gesellschaft zu handeln, unabhängig von den Interessen des Konzerns oder anderer Konzerngesellschaften. Diese Pflicht kann auch vertraglich nicht geändert werden. Der Verwaltungsrat einer schweizerischen Tochtergesellschaft steht daher stets vor einer komplexen Herausforderung, insbesondere wenn er gleichzeitig eine leitende Funktion bei der Muttergesellschaft oder einer anderen Konzerngesellschaft innehat oder wenn der zentral geführte Konzern klare Vorgaben macht.
In normalen Zeiten stellt sich diese Herausforderung für den Verwaltungsrat in der Regel nicht als Problem dar, da die Interessen des Konzerns und der schweizerischen Tochtergesellschaft in Einklang stehen und der Konzern finanzielle Unterstützung bieten kann, wenn nötig.
Die Rolle des Verwaltungsrats in Krisenzeiten: Umgang mit den Herausforderungen des Konzerns
Der Verwaltungsrat einer schweizerischen Gesellschaft hat stets die Verantwortung, im besten Interesse der Gesellschaft zu handeln, für die er tätig ist. Diese Verantwortung gilt auch in Konzernstrukturen und ist besonders relevant, wenn einer Tochtergesellschaft eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung droht. Gemäß der aktuellen Rechtsprechung kann der Verwaltungsrat unter bestimmten Umständen auch die Interessen des Konzerns berücksichtigen, sofern dies zum Gesamtvorteil der Tochtergesellschaft gereicht.
Die Abwägung der Interessen ist eine anspruchsvolle Aufgabe für den Verwaltungsrat. Daher ist es ratsam, in solchen Situationen eine fundierte Beratung in Anspruch zu nehmen.
Insbesondere bei finanziellen Belastungen ist die Gewährung von Darlehen an Mutter- oder Schwesterunternehmen innerhalb des Konzerns sowie die Teilnahme an einem Cash Pool heikel.
Voraussetzungen für die Gewährung von Darlehen an Konzerngesellschaften
Darlehen an Mutter- oder Schwesterunternehmen innerhalb des Konzerns (sogenannte Up- oder Crossstream-Darlehen) sind unter der Bedingung zulässig, dass sie zu marktüblichen Konditionen gewährt werden. In jedem Fall darf der Umfang solcher Darlehen nicht das freie Eigenkapital der Gesellschaft übersteigen.
Ein Up- oder Crossstream-Darlehen entspricht marktüblichen Konditionen, wenn ein Dritter, wie beispielsweise eine Bank, ein vergleichbares Darlehen unter den gleichen Bedingungen gewähren würde. Neben der Sicherheit des Darlehens und der Bonität des Darlehensnehmers spielen Faktoren wie der Darlehensbetrag, die Laufzeit und die Kündigungsmöglichkeiten eine Rolle.
Frühere Entscheidungen des Bundesgerichts, insbesondere im Zusammenhang mit der Swissair, haben Zweifel aufkommen lassen, ob ungesicherte Darlehen innerhalb des Konzerns überhaupt zu marktüblichen Konditionen gewährt werden können. Gemäß einer neuen Entscheidung des Bundesgerichts können ungesicherte Up- oder Crossstream-Darlehen unter bestimmten Umständen ebenfalls als marktüblich angesehen werden, sofern die Bonität des Darlehensnehmers gut ist.
Insbesondere in Krisenzeiten ist es wichtig, die Situation genau zu beobachten. Wenn sich die Bonität der Darlehensnehmer innerhalb des Konzerns verschlechtert, sollten neue Darlehen nur gewährt werden, wenn sie durch freies Eigenkapital gedeckt oder gesichert sind. Bestehende ungesicherte Darlehen sollten mögliche Maßnahmen wie Anpassungen oder Kündigungen gemäß den Vereinbarungen des Darlehensvertrags prüfen.
Cash Pool: Bedeutung und Handhabung während einer Krise
Ein Cash Pool ermöglicht es, die gesamte Konzernliquidität an eine Gruppengesellschaft, den Cash Pool Leader, zu überweisen. Jede Gruppengesellschaft hat ein Konto beim Cash Pool Leader (mit einem Guthaben oder einer Schuld), das regelmäßig ausgeglichen wird. Das Guthaben einer Tochtergesellschaft beim Cash Pool Leader entspricht einem Darlehen, das regelmäßig neu angepasst wird. Daher gelten für Cash Pools die gleichen Sorgfaltspflichten und Überlegungen wie
für andere Darlehen. Die Teilnahme am Cash Pool ist zulässig, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.
Aufgrund der ständigen Schwankungen im Cash Pool muss die Bonität des Cash Pool Leaders insbesondere während einer Krise regelmäßig überwacht werden, sofern keine Sicherheiten vorhanden sind. Wenn die Rückzahlung gefährdet ist, sollten entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, wie beispielsweise die Kündigung des Cash Pools. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Gesamtbetrachtung möglich, sodass unter besonderen Umständen auf eine Kündigung verzichtet werden kann. Dies war beispielsweise im Fall der Swissair der Fall, da sie als Tochtergesellschaft von zahlreichen Leistungen anderer Gruppengesellschaften abhängig war, die bei einem Austritt aus dem Cash Pool ebenfalls weggefallen wären.
Die Rolle der Muttergesellschaft in Krisenzeiten: Abhängigkeit und Unterstützung
Rechtlich gesehen ist eine Muttergesellschaft innerhalb eines Konzerns lediglich ein normaler Aktionär ihrer Tochtergesellschaften. Abgesehen von der Verpflichtung zur Leistung des ursprünglichen Kapitals hat der Aktionär einer schweizerischen Gesellschaft keine weiteren Pflichten gegenüber der Gesellschaft, insbesondere keine nachschusspflichtigen Verpflichtungen. Daher besteht auch keine rechtliche Verpflichtung für eine Konzernmuttergesellschaft, ihre Tochtergesellschaften finanziell zu unterstützen.
In der Praxis besteht jedoch oft eine implizite "Konzerngarantie" zugunsten der Tochtergesellschaften. Rechtlich gesehen ist eine solche Zusage jedoch nicht einklagbar. Wenn sich der Verwaltungsrat einer Tochtergesellschaft auf die Unterstützung des Konzerns verlassen möchte, muss er rechtlich bindende Zusagen wie Rangrücktrittsvereinbarungen oder Finanzierungsverpflichtungen einfordern. Darüber hinaus sollte die garantierende Konzerngesellschaft über ausreichende Bonität verfügen. Nur wenn die Tochtergesellschaft einen durchsetzbaren Anspruch hat, kann der Verwaltungsrat beispielsweise bei Überschuldungssituationen eine Insolvenzanmeldung vermeiden.
Die Abwägung der oft divergierenden Interessen innerhalb eines Konzerns stellt eine große Herausforderung für den Verwaltungsrat dar. Es empfiehlt sich daher, in solchen Situationen auf qualifizierte Beratung zurückzugreifen. Eine klare Kommunikation und eine fundierte juristische Bewertung sind entscheidend, um eine rechtlich einwandfreie und effektive Steuerung der Konzerninteressen zu gewährleisten. Nur so kann der Verwaltungsrat die Verantwortung für die Tochtergesellschaft bestmöglich wahrnehmen und das Unternehmen erfolgreich durch Krisenzeiten führen.