Ich habe mich mit meinen Kindern verstritten. Kann ich diese enterben?
Im schweizerischen Erbrecht gilt, dass sowohl die eigenen Kinder wie auch der Ehepartner (und bis zum 1. Januar 2023 unter Umständen auch die Eltern) einen sog. «Pflichtteilsschutz» geniessen. Das bedeutet, dass diese Personen grundsätzlich immer einen Pflichtteil, das heisst eine bestimmte Quote erben müssen.
Pflichtteile
Die Höhe dieser Pflichtteile variiert je nach Verwandtschaftsgrad. So müssen die Kinder mindestens ¾ (ab dem 1. Januar 2023 ½) von dem erben, was sie ohne jegliches Testament Ihrerseits geerbt hätten. Wenn Ihre Kinder nun 500'000 CHF geerbt hätten ohne Testament, so müssen Sie ihnen im Testament mindestens 375'000 CHF belassen. Ansonsten können diese das Testament nach Ihrem Tod anfechten und von den restlichen Erben die Differenz zu ihrem Pflichtteil einfordern. Der Pflichtteil Ihres Ehegattens beträgt ½ vom Betrag, den dieser ohne testamentarische Verfügungen erhalten hätte. Folglich können Sie Ihrem Ehepartner oder Ihren Kindern zwar weniger vererben, als diesen ohne Testament zustehen würde. Jedoch sind Sie hier stark beschränkt und dürfen nicht unter den Pflichtteilsanspruch gehen.
Als Beispiel: Sie hinterlassen 1'000'000 CHF. Sie haben eine Frau und zwei Kinder. Ohne Testament würde die Frau die eine Hälfte und die Kinder die andere bekommen (je ein Viertel). Wenn Sie nun Ihrer Schwester oder Ihrem besten Freund auch etwas vermachen wollen, brauchen Sie ein Testament. Dort müssen Sie die Teile ihrer gesetzlichen Erben (Frau und Kinder) reduzieren, damit ein Teil des Vermögens frei wird und sie sodann frei über diesen verfügen können. Im folgenden Beispiel müssten Sie ihrer Frau mindestens 250'000 CHF statt 500'000 CHF (500'000 * ½) und Ihren Kindern mindestens 375'000 CHF, dh je 187'500 CHF statt je 250'000 CHF vererben (250'000 * ¾). So würden 375'000 CHF frei werden über welche Sie frei verfügen können und die Sie nun ihrer Schwester oder Ihrem besten Freund vererben können. Bei diesen 375'000 CHF handelt es sich um Ihre «freie Quote». Über mehr als diese freie Quote dürfen sie aufgrund der Pflichtteile jedoch nicht frei verfügen.
Enterbung
Wenn Sie nun aber über mehr als die freie Quote frei verfügen wollen müssten sie entweder mit ihren gesetzlichen Erben einen Erbverzichtsvertrag schliessen oder einen von ihnen enterben. Die Enterbung ist in der Schweiz jedoch an strenge Massstäbe gebunden. Aufgrund eines Streits kann kein Familienmitglied enterbt werden. Hierzu braucht es weitaus schlimmere Gründe, welche im Gesetz abschliessend geregelt sind. Es gibt einerseits die Strafenterbung und andererseits die Präventiventerbung
Strafenterbung
Eine Strafenterbung ist wie der Name es schon sagt eine Enterbung als Strafe. Auch hier gibt es wieder 2 Fälle: Die Enterbung aufgrund einer Straftat oder aufgrund der Verletzung von familienrechtlichem Pflichten.
Bei der Enterbung aufgrund einer Straftat reicht jedoch nicht ein Strafzettel wegen Falschparkieren. Es muss sich um eine schwere Straftat handeln und diese muss sich zusätzlich gegen den Erblasser selber oder einem diesen nahe stehende Person gerichtet haben. So wäre beispielsweise eine schwere Körperverletzung am Erblasser oder dessen Kind bestimmt ein genügender Enterbungsgrund. Es ist hierbei auch nicht erforderlich, dass eine Strafverfolgung stattgefunden hat.
Die Enterbung aufgrund der Verletzung von familienrechtlichen Pflichten gegenüber dem Erblasser oder dessen Angehörigen (Angehörige sind enger als nahestende Personen) kommt nur zur Anwendung, wenn Pflichten verletzt werden, welche explizit im Schweizer Recht festgehalten sind. So beispielsweise die Verwandtenunterstützung oder die Pflichten zwischen den Ehegatten, nicht aber die Beachtung von Anstand oder Erwartungen.
Präventiventerbung
Bei der Präventiventerbung kann dem Enterbten – im Gegensatz zur Strafenterbung – nicht das ganze Erbe weggenommen werden. Es kann maximal die Hälfte des eigentlichen Pflichtteils weggenommen werden. Sie dient sodann auch nicht als Strafe für den Erben selbst. Mit ihr will lediglich vermieden werden, dass das Erbe direkt in die Hände von Gläubigern des Enterbten fällt.
Folglich kann eine Präventiventerbung nur gegenüber Nachkommen (nicht Ehepartnern) gemacht werden, gegen welche im Zeitpunkt des Erbgangs Verlustscheine offen sind die höher sind als ein Viertel des eigentlichen Erbes. Weiter muss die entzogene Hälfte des Pflichtteils an die Nachkommen dieses Erbens gehen. Das heisst das Kind muss selber Kinder haben oder es muss die Möglichkeit bestehen, dass es noch Kinder haben wird.
Das heisst, dass bei einer Präventiventerbung einem Nachkommen zwar weniger als der Pflichtteil zugesprochen werden kann, dieser Teil des Erbes an dessen Nachkommen (eig. Den Enkelkindern des Erblassers) gehen muss und sich somit die freie Quote gar nicht vergrössert.
Wie kann ich jemanden bei einem Grund sodann enterben?
Die Enterbung muss in einer letztwilligen Verfügung mit einer notwendigen Klarheit angeordnet werden. Dies kann somit ein Testament oder ein Erb(verzichts)vertrag sein. Es ist noch umstritten, ob eine «Enterbung auf Vorrat» gemacht werden kann, wenn mit dem Eintreten eines Enterbungsgrundes gerechnet wird. Damit sie gültig ist, müsste der Erblasser auch dort präzise Darlegen was der Grund für die eigentliche Enterbung ist.
Wie kann ich eine Enterbung aufheben?
Am einfachsten wird eine Enterbung aufgehoben, indem eine neue, revidierte Verfügung von Todes wegen aufgesetzt wird. Eine Verzeihung ohne Aufhebung der eigentlichen Enterbung führt grundsätzlich nur dazu, dass dem Enterbten eine Herabsetzungsklage offensteht, wobei er dort die Verzeihung beweisen muss. Dies kann sich vor allem bei einer mündlichen Verzeihung als sehr schwierig darstellen.
Wie sie sehen, gibt es nur ganz wenige Fälle, in welchen Sie eine Enterbung vornehmen können. Hierbei empfehle ich Ihnen den Enterbungsgrund so klar wie möglich in der letztwilligen Verfügung niederzuschreiben. Weiter können Sie uns auch gerne kontaktieren, um in Erfahrung zu bringen was genau als Enterbungsgrund gilt und was nicht und was andere Möglichkeiten sind um Ihren Nachlass wunschgemäss aufzuteilen.